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Verwertung von Gutachten bei getilgtem Untersuchungsanlass

Verfasst: Sa 19. Okt 2002, 03:07
von Schwabe
Bezüglich des Aufsatzes über Tilgung und Verwertung hätte ich eine Frage:
Kann ein negatives Gutachten, das sich auf eine zwischenzeitlich im VZR getilgte Straftat bezieht, Grundlage bzw. Anlass für eine erneute MPU sein.

Ich habe leider hierzu nichts in dem besagten Aufsatz gefunden.

Verfasst: Sa 19. Okt 2002, 09:17
von MorkvomOrk
§ 2 Abs. 9 StVG:
" Die Registerauskünfte, Führungszeugnisse, Gutachten und Gesundheitszeugnisse dürfen nur zur Feststellung oder Überprüfung der Eignung oder Befähigung verwendet werden. Sie sind nach spätestens zehn Jahren zu vernichten, es sei denn, mit ihnen im Zusammenhang stehende Eintragungen im Verkehrszentralregister oder im Zentralen Fahrerlaubnisregister sind nach den Bestimmungen für diese Register zu einem späteren Zeitpunkt zu tilgen oder zu löschen. In diesem Fall ist für die Vernichtung oder Löschung der spätere Zeitpunkt maßgeblich."

Aufgrund dieser Vorschrift dürfte ein negatives Gutachten, welches ja immer auch eine neue Tatsache darstellt, auch dann noch verwertet werden, wenn die Straftat(en), weswegen es angeordnet wurde, selbst bereits getilgt sind. In diesem Fall (wenn die Straftaten selbst bereits getilgt sind), kann ich das Gutachten aber längstens für 10 Jahre verwerten!

Verfasst: Sa 19. Okt 2002, 12:35
von Schwabe
vielen Dank für die schnelle Antwort.
das neg. Gutachten wurde jedoch nicht ins VZR eingetragen, da wegen der Straftat 1991 Verzicht der Fahrerlaubnis erklärt wurde!
Außerdem ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass ein Gutachten verwertbar sein soll nur weil es (gezwungenerweise) abgegeben wurde. :oops:

Verfasst: Sa 19. Okt 2002, 12:40
von Schwabe
P.S. was heißt spätestens?

Verfasst: Sa 19. Okt 2002, 18:21
von Volker Kalus
Danke für den Denkanstoss, das in den Aufsatz mit aufzunehmen. Werden wir tun. Das abgegebene Gutachten ist im örtlichen Register gespeichert, sprich der Fahrerlaubnisakte die von der aktuell zuständigen
Fahrerlaubnisbehörde vorliegt.

Spätestens bedeutet, dass es z.B. keinen Sinn macht, ein Gutachten aufzuheben, dass z.B. nur zwei Jahre Gültigkeit hat. (Augen !)

Verfasst: So 20. Okt 2002, 16:23
von Schwabe
kann man den §2Abs.9 nicht auch so auslegen, dass Gutachten nur solange verwertbar sind, wie die entsprechende Eintragung im VZR? Das Gutachten bezieht sich schließlich auf die Eintragung. Wie soll hier die Fragestellung zur MPU formuliert werden?

Verfasst: Mo 21. Okt 2002, 13:42
von Synder
Ich finde, Schwabe hat grundsätzlich Recht.

Zwar kann meines Erachtens mit 2/9 nicht gemeint sein, dass Gutachten bei Ablauf der Verwertungsfrist der Anlasstat automatisch zu vernichten seien. Denn dann hätte die Vorschrift einfacher formuliert werden können.

Aber ich glaube, man muß 2/9 zusammen mit den Verwertungsvorschriften der 28ff lesen. Die zeitliche Begrenzung der Verwertbarkeit von Straftaten und Owis soll doch bewirken, dass man sich die "alten Sünden" nicht mehr vorhalten lassen muss. Was nützt es mir, wenn man mir zwar den Rotlichtverstoß nicht mehr vorwirft, mir aber vorhält, ich sei wegen ebendieser Owi seinerzeit schlecht beurteilt worden.

Sicher ist ein Gutachten eine neue Tatsache, aber ich meine: nur insoweit, als sich aus ihm Tatsachen ergeben, die über die Anlasstaten hinausgehen.

Ich frage mich immer, was ich dem alten Gutachten noch entnehmen kann, wenn ich mir die getilgten Eintragungen wegdenke. Da sich die Exploration in der Regel mit diesen Vorfällen befasst hat, bleibt da selten war übrig.

Das ist alles zweifelhat, aber ich bin sicher: wenn man den Schlußsatz "auch zukünftig sind Verkehrsverstöße zu erwarten" isoliert und ewig verwerten dürfte, hätten die Tilgungsvorschriften wenig Effektivität.

Verfasst: Mo 21. Okt 2002, 16:02
von Hartmut
Vielleicht kann man die Verwertung eines Gutachtens an folgendem Beispiel erklären:

Entzug einer Fahrerlaubnis am 01.07.1987 wegen 3 Promille. Die Tat ist länger als 15 Jahre her und darf eigentlich nicht mehr verwertet werden.
Jetzt hat der Betroffene nach der Tat keine Problemeinsicht und trinkt weiter in großen Mengen Alkohol und erhält daher im Jahre 1996 ein negatives MPU-Gutachten. Über dieses Gutachten ärgert sich der Betroffene so sehr, dass er bis heute regelmäßig viel Alkohol trinkt.

Die Vorschrift des § 2 Abs. 9 StVG kann meines Erachtens nur so ausgelegt werden, dass ich über die Tilgungsfrist hinaus ein negatives Gutachten 10 Jahre verwerten kann. Die Fragestellung muss sich aus diesem Gutachten ergeben.

Verfasst: Fr 25. Okt 2002, 07:16
von Schwabe
Ich muss noch mal nachhaken,
zum einen frage ich mich was ein 6 Jahre altes Gutachten überhaupt noch hergibt, und zum anderen ob ich von der FB verlangen kann, die betreffenden Informationen im Gutachten zu "schwärzen".

Aber die §§ 28 und 65 finden wohl bei den zuständigen Stellen wenig Beachtung.

Dazu einen Auszug aus der Niederschrift zur Dienstbesprechung im Bereich Fahrerlaubnisrecht vom 19.05.1999 beim RP TÜ mit Vertretern des Ministeriums für Umwelt und Verkehr, der LPD TÜ sowie den Führerscheinstellen:

Taten die im VZR/BRZ getilgt wurden, dürfen dem Betreffenden weder vom Gutachter vorgehalten noch im Gutachten als konkrete Tat benannt werden. Der Gutachter darf den Probanden jedoch fragen, warum es zum Entzug/Versagung der FE gekommen ist. Die Angaben, die der Proband gegenüber dem Gutachter freiwillig macht, dürfen ihm vom Gutachter und der FE-Behörde vorgehalten werden. Sie dürfen bei der gutachterlichen Prognose berücksichtigt werden und Grundlage der behördlichen Entscheidung sein.

Das ist mir zu hoch, oder ich leide unter Kapierstau.
Ich hoffe es hilft mir jemand auf die Sprünge.

Verfasst: Fr 25. Okt 2002, 07:31
von Synder
@Hartmut

Verstehe ich Dein letztes Posting richtig dahingehend, dass nach Deiner Auffassung die 10-Jahres-Frist sogar erst nach (!) Ablauf der Verwertbarkeitsfrist beginnt?

Zu Deinem Beispiel: ich würde dieses Gutachten insoweit verwerten wollen, als sich zu den Trinkgewohnheiten Informationen gewinnen lassen, die der Gutachter auch dann erhoben haben könnte, wenn er nichts von der Anlaßtat gewußt hätte.

@Schwabe

Was der Proband freiwillig offenbart, darf ihm auch vorgehalten werden, weil er infolge der Offenbarung insoweit nicht schutzwürdig ist.

(Das setzt freilich stillschweigend voraus, dass der die Frage nach dem Grund der Entziehung folgenlos unbeantwortet lassen kann. Voraussetzung hierfür ist ein ehrlicher Umgang mit dem Gutachten von Seiten des Gutachters und der FS-Stelle.)