Verwertungsfrist

Hier geht es um Themen, die das Verwaltungsrecht mit dem Fahrerlaubnisrecht kombinieren
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sslneve
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Verwertungsfrist

Beitrag von sslneve » Do 25. Aug 2005, 19:15

Hallo,

ich habe ein Urteil des OVG Saarluis und einen zugehörigen Aufsatz des Webmasters gelesen, allerdings bin ich mir immer noch nicht sicher, wie
das mit der Verwertung früherer Taten in meinem Fall ist:

1993/1994 - BAK 1,56 - FS-Entzug in der Probezeit - 9 Monate Sperre + Nachschulung

Nov 2004 - BAK 2,24 - 12 Monate Sperre

Nun war ich bei meiner FS-Stelle und da wurde mir gesagt, daß aufgrund des Urteils des OVG Saarluis der MPU-Gutachter auch Akten zu meiner früheren Tat bekommt, obwohl inwischen mehr als 10 Jahre vergangen sind.
Stimmt das?

Zudem wird mir dringenst ein (teurer) Kurs angeraten, obwohl seit dem Vorfall im Nov 2004 (nachweislich per Leberwerte) keinen Alkohol mehr trinke, mit dem Rauchen aufgehört habe, Literatur zur MPU-Vorbereitung gekauft und gelesen habe (keine unseriösen "Testknacker" ... obwohl, ein Buch von PlusPunkt heisst auch so reisserisch), mich gedanklich intensiv mit der Thematik und meiner Problematik auseinandergesetzt habe, die früheren Umstände des Alkoholmisbrauchs aufgearbeitet habe, ...
Tja, dann wird mir trotzdem gesagt: mit dem Wert hats seit 20 Jahren noch keiner ohne Kurs oder Psychotherapie geschafft.

Vielen Dank für Infos und Meinungen zu den beiden Fragen !

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MorkvomOrk
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Beitrag von MorkvomOrk » Fr 26. Aug 2005, 00:03

Du schreibst leider nicht, wann die Neuerteilung nach der Entziehung 93/94 war. Ich gehe mal davon aus, daß der Vorfall selbst Ende 93 war und nach der neunmonatigen Sperre die Neuerteilung irgendwann 1994 gewesen ist. Sollte dies den Tatsachen entsprechen, dann darf m. E. dieser Vorgang von der Fahrerlaubnisbehörde nicht mehr verwertet werden (29/5 StVG, 65/9 StVG).
Die Fahrerlaubnisbehörde kann den Vorgang entweder vollkommen aus der Führerscheinakte entfernen, sie kann den entsprechenden Teil der Akte aber auch als "nicht verwertbar" kennzeichnen.

Mit der angeblich gefallenen Behauptung "dem Wert hats seit 20 Jahren noch keiner ohne Kurs oder Psychotherapie geschafft." habe ich meine Probleme.
Zum einen ist es sicherlich empfehlenswert, wenn sich die Betroffenen möglichst mit Hilfe einer fachlichen Maßnahme die vorhandenen Defizite aufarbeiten und sich so auf die MPU vorbereiten. Allerdings kann es auch genügen, wenn man diese Aufarbeitung quasi selbst durchführt. M. E. ist dies in der Mehrzahl der Fälle aber nicht möglich und die Betroffenen sind auf fachliche Hilfe angewiesen. Mit Sicherheit ist es jedoch nicht so, daß jemand bei einer MPU eine negative Prognose erhält, weil nicht an einer fachlichen Maßnahme teilgenommen wurde. Einer negativen Prognose liegt immer die Tatsache zugrunde, daß immer noch gravierende Defizite vorhanden sind, welche noch nicht aufgearbeitet wurden.

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sslneve
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Beitrag von sslneve » Fr 26. Aug 2005, 13:18

Hallo,

wann die Neuerteilung damals war, weiss ich im Moment nicht genau. In
jedem Fall aber sind zwischen der Neuerteilung und des neuerlichen Vorfalls bzw. Strafbefehls mehr als 10 Jahre vergangen (hab ich mal
nachgeschaut vor einigen Wochen).

Nach neuem Recht müsste der damalige Vorfall verwaltungsrechtlich nicht mehr verwertbar sein. Leider bin ich durch das Urteil vom OVG Saarluis etwas verwirrt. Dieses hat mir auch der zuständige Beamte der FS-Stelle gezeigt. Hier und auch im Kommentar von Herrn Kalus steht, daß Fälle vor 1999 nach dem alten Recht (ewige Verwertbarkeit, jedoch auf 15 Jahre begrenzt) behandelt werden.

Ich bin echt etwas verwirrt angesichts dieser Unklarheiten. Zumal ich wenn es dumm läuft, deswegen klagen müsste ...

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Hartmut
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Beitrag von Hartmut » Fr 26. Aug 2005, 18:56

Die wiederholte Alkoholfahrt und zusätzlich der hohe Promillewert sprechen nicht für dich.

Wenn ich auch die Meinung von Mork verstehen kann, tendiere ich eher dazu, dass eine fachliche Hilfe in der Form einer Selbsthilfegruppe, Verkehrstherapeut oder eines Alkoholkurses sehr wahrscheinlich erforderlich ist.

Tatsache ist, dass die über 2 Promille nicht von heute auf morgen kommen. Es setzt also ein Alkoholtrinktraining voraus. Wenn ich dann bei dieser Promillezahl noch ein Auto fahren kann, muss ich umso mehr gewohnt sein. Auch hast du aus der 1. Trunkenheitsfahrt offensichtlich nicht viel gelernt. Wie soll es also mit dir zukünftig weiter gehen ? Bist du in 10 Jahren wieder dabei, sofern dir der Führerschein erteilt wird ?

Nach meiner Meinung ist also eine Aufarbeitung mit einer fachlich geschulten Person/Stelle erforderlich, zumindest aber mehr als ratsam.

Zu deiner Ausgangsfrage: Sollten zwischen der Neuerteilung und der erneuten Alkoholfahrt mehr als 10 Jahre vergangen sein, ist diese Alkoholfahrt nicht mehr verwertbar.

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sslneve
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Beitrag von sslneve » Fr 26. Aug 2005, 21:58

Hallo,

vielen Dank für die Antworten. Die Wiederholungsproblematik und der hohe Wert sind umso mehr Grund für eine definitive Aussage über die Verwertbarkeit des ersten Vorfalls. Ich bin vermutlich nicht schwer von Begriff, aber eure beiden Antworten verunsichern mich doch etwas. Verstehe ich das genannte Urteil oder den Kommentar von Herrn Kalus falsch? Kennt ihr den Inhalt dieser Dokumente? Warum sollten in meinem Fall für die erste Tat keine 15 Jahre gelten? Wenn gesichert nur 10 Jahre gelten und somit nicht mehr verwertet werden dürfte, was kann ich effektiv tun (gegen die Behörde zu klagen ist vermutlich nicht der klügste Weg). Wie stimme ich (wenn ihr Recht habt) einen zuständigen Beamten um, der mir mit dem Urteil aus Saarluis vor der Nase rumwedelt?

Abgesehen von all dem bin ich mehr und mehr davon überzeugt, daß ich ohne fremde Hilfe nicht durchkommen werde, auch wenn ich von mir selbst überzeugt bin ...

Ich würde mich über natürlich über Antworten freuen. Danke nochmal!

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MorkvomOrk
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Beitrag von MorkvomOrk » Sa 27. Aug 2005, 01:45

Um das mit der Verwertbarkeit der ersten Entziehung verstehen zu können, mußt du zunächst einmal von deinem Gedanken weg, daß irgendein Vorfall grundsätzlich 15 Jahre verwertbar ist, denn hierfür gibt es keine gesetzliche Grundlage.

Die insgesamt 15 Jahre Verwertung ergibt sich aus der

Tilgungsfrist + dem Beginn der Tilgungsfrist!!

Die Tilgungsfrist beträgt 10 Jahre und nicht mehr!

Für die Verwertbarkeit ist nun der Tilgungsbeginn entscheidend (daher die Frage nach der Neuerteilung!).

Üblicherweise beginnt die Tilgungsfrist (10 Jahre) mit der Neuerteilung zu laufen. Nur in den Fällen, in denen es nicht zu einer Neuerteilung der FE kommt, beginnt die Tilgungsfrist 5 Jahre nach der Entziehung, so daß man nur in diesen Fällen (keine Neuerteilung) auf insgesamt 15 Jahre Verwertung kommt!

Ich bin auch nicht der Auffassung, daß du diesbezüglich gleich klagen mußt, um den zuständigen Sachbearbeiter umzustimmen, wobei eine Klage bzw. ein Widerspruch voraussetzen würde, daß du deinen Führerscheinantrag erst einmal von der Fahrerlaubnisbehörde ablehnen lassen müßtest, denn vorher hast du keine Möglichkeit der Klage/des Widerspruches.
Ich würde zunächst versuchen, deine Argumente, dem Sachbearbeiter unmittelbar vorzutragen. Üblicherweise sollte sich dieser mit deinen Argumenten auseinandersetzen und die Angelegenheit diesbezüglich noch einmal überprüfen. Tut er das nicht, oder kommt er nach einer nochmaligen Überprüfung zu keinem anderen Ergebnis als vorher, dann hast du die Möglichkeit mit dem Leiter der Fahrerlaubnisbehörde darüber zu sprechen. Kommst du auch hier nicht weiter, würde ich die Einwände zunächst schriftlich selbst fixieren. Die Fahrerlaubnisbehörde muß dann zwangsläufig hierauf ihren rechtlichen Standpunkt ebenfalls schriftlich darlegen. Diese Ausführungen kannst du ja dann zunächst einmal unverbindlich von einem Rechtsanwalt prüfen lassen und sehen, was dieser meint.

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sslneve
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Beitrag von sslneve » So 28. Aug 2005, 00:18

Hallo Mork,

ok, wenn ich das also richtig verstanden habe, dann unterscheidet den Fall des OVG Saarluis und meinen genau eines: ich habe damals meinen FS wiederbekommen (und zwar vor über 10 Jahren, genauer 09/94) und der Betroffene in dem Fall nicht. D.h. bei mir gelten die 10 Jahre ab der Wiedererteilung und bei ihm erst 5 Jahre nach Rechtskräftigkeit des Urteils.
Richtig?

Da in dem Urteil vom Bundeszentralregistergesetz die Rede ist: Gilt obige Feststellung für den Eintrag im Zentralregister an sich oder auch für den Inhalt meiner Akte bei meiner FS-Stelle? Wie gesagt, es wäre wirklich vorteilhafter, wenn der erste Vorfall dem Gutachter nicht bekannt wäre bzw. nicht bekannt sein darf.

Danke & Gruss!

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MorkvomOrk
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Beitrag von MorkvomOrk » So 28. Aug 2005, 06:12

sslneve hat geschrieben: ok, wenn ich das also richtig verstanden habe, dann unterscheidet den Fall des OVG Saarluis und meinen genau eines: ich habe damals meinen FS wiederbekommen (und zwar vor über 10 Jahren, genauer 09/94) und der Betroffene in dem Fall nicht. D.h. bei mir gelten die 10 Jahre ab der Wiedererteilung und bei ihm erst 5 Jahre nach Rechtskräftigkeit des Urteils.
Richtig?
Ja!
sslneve hat geschrieben:Da in dem Urteil vom Bundeszentralregistergesetz die Rede ist: Gilt obige Feststellung für den Eintrag im Zentralregister an sich oder auch für den Inhalt meiner Akte bei meiner FS-Stelle?
Das BZR-Gesetz regelt nur was im BZR gespeichert wird und wie lange dieses dort gespeichert wird. Die dortigen Tilgungsfristen sind i. d. R. erheblich kürzer als die Verwertungsfrist bezügl. der Neuerteilung der Fahrerlaubnis.
In deinem konkreten Fall bedeutet das. Sofern nach deiner ersten FE-Entziehung keine neuen Straftaten (auch allgemeine, welche nichts mit dem Straßenverkehr zu tun haben) im BZR eingetragen wurden (diese würden nämlich die Tilgung deiner Entziehung hindern bzw. verlängern), dann ist hier nichts mehr eingetragen und folglich kann dir hier auch nichts mehr vorgeworfen werden.

Im Fahrerlaubnisrecht gibt es nun aber die Besonderheit, daß für die Erteilung/Überprüfung von Fahrerlaubnissen auch Vorgänge herangezogen und berücksichtigt werden dürfen, die längst im BZR gelöscht wurden. Wie ich aber bereits dargelegt habe, trifft diese längere Verwertungsfrist für deine erste Entziehung nicht mehr zu, so daß dieser Verstoß nun vollkommen passé ist.

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Hartmut
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Beitrag von Hartmut » So 28. Aug 2005, 09:41

Auf dein eigentliches Problem solltest du aber auch einmal eingehen, nämlich den Alkohol.

Verwertung hin oder her: Was willst du dem Gutachter auf die Frage antworten, ob es das erste Alkoholdelikt ist ?

Dir wurde zudem 1994 ein Führerschein mit Erteilungsdatum 1994 erteilt. Von einem früheren Führerscheinbesitz steht in diesem Führerschein nichts. Und die Neuerteilung von 1994 erscheint in der Führerscheinakte.

Ich halte es für dringend erforderlich, dass du dieser Frage und vor allem dem Grund für deine erneute Auffälligkeit sowie der hohen Promillezahl mal nachgehst.

Das soll keine Belehrung sein, nur halte ich nur wenig von Diskussionen über Verwertbarkeit, wenn das eigentliche Problem (Alkohol) noch immer gegenwärtig ist.

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sslneve
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Beitrag von sslneve » So 28. Aug 2005, 14:41

Hallo,

@Mork: Danke, jetzt blicke ich glaube ich durch und werde ein Gespräch mit dem zuständigen Beamten hierüber suchen.

@Hartmut: Wie ich weiter oben bereits erwähnt habe, habe ich mich intensiv mit meiner Problematik auseinandergesetzt. Ein kleiner Beitrag hierzu ist auch meine völlige Abstinenz seit dem Vorfall im November 04. Ich möchte schon meinen, daß ich im Moment kein Problem mit Alkohol habe (denn ich trinke keinen). Ich hatte damals definitv ein Problem und habe auch teilweise ausgiebig Alkoholmißbrauch betrieben. Das sich das aber ändern lässt, habe ich zumindest mir bereits bewiesen. Auch war ich kein Alkoholiker (vielleicht wenn ich so weiter gemacht hätte), also gibt es für mich auch nicht "Einmal Alki, immer Alki". Ich weiss also nicht, inwiefern das eigentlich Problem momentan gegenwärtig sein soll. Die Gründe für die erneute Auffälligkeit und der hohen Promille werden von mir nicht verdrängt sondern ich habe mir hierüber intensiv und tiefgreifend Gedanken gemacht.

Ergo: Das ist die eine Seite. Eine andere ist die verwaltungsrechtliche. Und hier kommt es sehr wohl darauf an, was der Gutachter zu sehen kriegt bzw. was mir negativ ausgelegt werden kann und was nicht.
Was ich auf die Frage antworten will, ob es mein erstes Delikt war, weiss ich nicht. WENN es nicht verwertbar ist, dann würde ich antworten, daß es kein Delikt gibt, das noch verwertbar wäre. Klingt vielleicht blöde, aber ich bin der Meinung, daß sich auch der Gutachter daran halten muss, wenn im Gesetz steht, daß mir etwas nicht zum Nachteil ausgelegt werden darf.
Aber vielleicht hat ja jemand eine bessere Idee ....

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