FS Neuerteilung mit Borderline

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poldiderjungdrache
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FS Neuerteilung mit Borderline

Beitrag von poldiderjungdrache » Do 30. Okt 2008, 09:33

Hi,

ich weiß nicht, in welchen Thread ich das hätte packen können, darum mach ich einen neuen auf.

Mir wurde ja der FS entzogen, wegen Fahrerflucht. Scheinbar hat der Richter in dem Urteil auch Schnittverletzungen "suizidalen Charakters" erwähnt. Sagte jedenfalls die wirklich nette und hilfsbereit Frau auf der Fsst.

Meine Frage ist, ob ein Gutachten gem. Anlage 4 FeV angeordnet werden muss, oder ob es in ihrem ermessen liegt, ein solches anzuordnen.

Ich leider unter einer "mittelgradigen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven und Borderline-Typ".

Hoffe hier recht schnell antworten bekommen zu können, um evtl schon ein Gutachten erstellen zu lassen, bevor die Fsst es anordnet um Zeit zu sparen.

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corneliusrufus
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Beitrag von corneliusrufus » Do 30. Okt 2008, 12:45

Das erste ist, dass Du Dir selbst einmal das ehemalige Strafurteil durchliest. Das kannst Du auch über Deine FS-Akte tun, Du darfst diese im Beisein eines Angestellten oder Beamten der FEB einsehen.

Die zweite Frage ist, ob Deine Persönlichkeitsstörung der FEB bekannt ist oder ob die Ursache der Schnittverletzungen offen ist und nur die depressiven Zustände bekannt sind.

Explizit ist in Anlage 4 der FeV keine instabile Persönlichkeitsstörung, bsp. vom Typ Borderline, aufgeführt. Sehr wohl jedoch Persönlichkeitsstörungen mit Psychosen, Schizophrenie oder bipolarer Störung. Auch wenn Borderline da nicht "hineinpasst", da es psychiatrisch zwischen Schizophrenie und Psychotischen Störungen anzusiedeln wäre, lässt sich meiner Ansicht nach die Anlage 4 anwenden. Denn neben den einschlägigen Vorschriften des STVG und der FEb hinsichtlich der Eignung und Eignungsfeststellung öffnet sich die Anlage 4 FeV selbst im Kopf, da sie von Regelfällen spricht. Das schafft Ausnahmen nach beiden Seiten.

Bekannt bei Borderline ist das selbstschädigende Verhalten in seinen verschiedenen Formen (bsp. Rasen, Alkohol, Drogen, Schneiden) sowie als Begleitsymptom Depression. Verbunden mit dem Wissen, dass hinreichend viele schwere Unfälle in (auch verdeckter) Selbstmordabsicht geschehen, dass bei Borderline das Impulsverhalten (unbehandelt) gestört ist, lassen sich die Gefahren ablesen.

Auch sind Persönlichkeitsstörungen meist so tief verankert, dass sie Betroffene ein Leben lang begleiten.

Zugleich lässt sich Borderline heute gut (therapeutisch und medikamentös) behandeln, so dass die Impulskontrolle (früh- und rechtzeitig) vor dem stattgeben des Impulses einsetzt.


Liegt eine Borderlineerkrankung amtlich vor (Blick in die FS-Akte), dann halte ich eine Begutachtung per MPU für gerechtfertigt. Bestehen wirst Du diese, wenn Du a) eine Therapie erfolgreich absolviert hast, b) in einem Zeitraum danach (ungefähr ein Jahr) symptomfrei warst und c) in der Begutachtung den damaligen Zusammenhang mit Deinen Reaktionen im Straßenverkehr im Zusammenhang mit Deiner Grunderkrankung Borderline darstellen kannst und anschließend glaubwürdig erläuterst, wie Du die Impulskontrolle heute erfolgreich bewerkstelligst, selbst in schwierigen Situationen. Zur Symptomfreiheit gehört auch die Freiheit von Depressionen.

Steht dem Wissen der FEB nur die Depression zur Verfügung, lassen sich die Schnitte auch mit einer damaligen (möglichen) suizidalen Absicht erklären, so reduziert sich die Begutachtung auf den Erfolg der Behandlung der Depression, damit auch der Freiheit von Selbstmordgedanken oder gar -absichten und -handlungen.

Liebe Greet-Ings, Cornelius

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poldiderjungdrache
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Beitrag von poldiderjungdrache » Do 30. Okt 2008, 16:13

Erstmal danke für die wirklich ausführliche Antwort.

Also, die Schnittverletzungen wurden vom Richter erwähnt und im Tenor des Urteils mit aufgeführt.
Verkehrsauffällig bin ich nur geworden, wegen 1 mal zu schnellfahren mit anschließendem Aufbauseminar. Und Entzogen wurde er mir, wegen "Fahrerflucht".

Im Urteil sind nur die Schnittverletzungen mit Suizidalem Charakter erwähnt. Aber der FS ist meine Erkrankung der Borderlinestörung bekannt. "Geritzt" habe ich seit 2004 nicht und ausser gelegentliche depressive Phasen (die meines Erachtens jeder mal hat, wenn z. B. die Freundin mit jemandem Schluss macht, eine nahestehende Person verstirbt) ist bei mir nichts ungewöhnlich auffällig.

Dies habe ich der Fsst mitgeteilt und eine psychopathologische Beurteilung von Juli 2007 mitgeschickt.

Aber so wie ich deinen Post verstanden habe, kann und muss die Fsst eine Beurteilung einfordern wegen Borderline.
Aber ich finde keinen Anhaltspunkt in der Anlage 4. Es ist weder eine organische Psychose nach 7.1 noch eine chronisch hirnorganische Psychose nach 7.2. Auch eine geistige Behinderung nach 7.4 kommt für mich nicht in Betracht. Aber die Frau von der Fsst meinte, in der Richtlinie wäre sicherlich auch Borderline aufgeführt. Aber ich habe im Internet nichts über eine Richtlinie für die Fsst gefunden.

Und wegen dem selbstschädigendem Verhalten... Ich bin weder während meiner Führerscheinzeit noch danach Verkehrsauffällig geworden. Stünde ja im Punkteregister. Und dass seit "längerer Zeit kein selbstschädigendes Verhalten oder Suizidversuche" meinerseits unternommen wurden, steht in der psychopathologischen Beurteilung.

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corneliusrufus
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Beitrag von corneliusrufus » Do 30. Okt 2008, 22:13

Aus den Normen selbst ergibt sich nichts spezielles zu einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Typus Borderline. Daneben gibt es noch die Begutachtungsleitlinien und -richtlinien.

Vom Grundsatz müssen alle Gutachter zugelassen sein bzw. eine verkehrsmedizinische Qualifikation erworben haben je nachdem, ob für eine MPU oder für ein ÄG.

Ob Dein Gutachter zugelassen war müsstest Du ihn und Deine FEB fragen.


Rede mit Deiner FEB. Frage sie, ob denen die bisherigen Belege nicht reichen (können). Tatsache ist, Du bist Symptomfrei seit Jahren. Tatsache ist, Du bist behandelt worden und für alle Lebensbereiche ist Stabilität festgestellt worden. Zudem gab das damalige Geschehen, welches zum Entzug führte, keinen Anlass, dass die Tat nur durch typische Merkmale eines Verhaltens wie bei einem Borderliner erklärt werden könne.

So ließe ein einzelner Straßenverkehrsverstoß durch Geschwindigkeitsverletzung nicht automatisch auf eine Kausalität zu einer Persönlichkeitsstörung schließen. Solche Fahrten kämen auch bei anderen vor, die keine derartigen psychische Merkmale haben. Ebenfalls wäre eine Fahrerflucht kein ungewöhnliches Verhalten, ...


Ich meine, wenn Du austherapiert bist, Dich mit den Fragen eienr Begutachtung beschäftigen würdest, dann wäre eine Begutachtung gut schaffbar. Lediglich die Geldausgabe dafür wäre ärgerlich.

Liebe Greet-Ings, Cornelius

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Kilometerfresser
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Beitrag von Kilometerfresser » Fr 31. Okt 2008, 08:23

Hallo poldiderjungdrache,

eine pauschale und allgemeingültige Aussage ist kaum möglich. Es kommt wirklich auf den Einzelfall an. Kenne selbst 2 Leute die mit Borderline zu kämpfen haben. Bei der einen Person ist es nicht so „schlimm“. Beim Autofahren gab es nie Probleme und ich selbst hatte auch keine Bedenken als Beifahrer einzusteigen. Absolut unproblematisch. Symptome gab es nur in anderen Lebensbereichen. Bei einer anderen Bekannten mit Borderline, ohne Führerschein, hätte ich schon erhebliche Eignungsbedenken: Schnittverletzungen, selbstmordgefährdet und Behandlung mit Psychopharmaka. Wie gesagt, da hätte ich Bedenken und würde auf jedenfalls als Führerscheinstelle ein Gutachten anfordern (und persönlich den Rat geben die Krankheit erstmal in den Griff zu kriegen). Aber wie gesagt, eine pauschale Aussage ist kaum möglich. Im Übrigen ist die Empfehlung von corneliusrufus auf Einnahme von Akteneinsicht absolut richtig.

Alles Gute
Kilometerfresser

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Beitrag von poldiderjungdrache » Fr 31. Okt 2008, 12:00

Ich will ja keineswegs behaupten, dass ich nicht mehr unter Borderline leide. Aber wie schon Kilometerfresser sagte, Borderline ist nicht gleich Borderline. Interpersonelle Krisen sind immer noch schwer für mich zu bewältigen. Aber nur weil ich mit mir nicht klar komme bzw. Gefühlslagen für mich teilweise schwer zu bewältigen sind, heisst das nicht, dass ich gleichzeitig andere Menschen gefährden muss. Grade beim Autofahren nehme ich Rücksicht auf andere. Während ich als Beifahrer andere dazu auffordern muss, langsamer zu fahren oder mehr Abstand zu halten, weil ich mich unwohl fühle bei deren Fahrstil, werde ich dennoch mit anderen Borderlinern verglichen.
Ich kann ja die Fsst verstehen. Einige Borderliner setzen sich mit Absicht vor den Baum. Aber ich bezweifle, dass es ein Großteil ist. Ebenso setzen sich viele andere vor den Baum oder machen einen auf Geisterfahrer.

Ich hoffe, dass der Fsst die Papiere genügen. Wobei ich ja eines in der Anlage 4 nicht verstehe. 7.4 (schwere geistige Behinderung) darf der FS erteilt werden, wenn keine Persönlichkeitsstörung. Also wird da schon geguckt nach Persönlichkeitsstörung. Und Borderline geht ja einher mit einer Persönlichkeitsstörung.

Der Gutachter hat bei mir das Gutachten für eine Betreuung gestellt. In der er natürlich auch auf die Krankheit eingegangen ist. Ich habe das Gutachten nur auszugsweise rausgeschickt.

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corneliusrufus
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Beitrag von corneliusrufus » Fr 31. Okt 2008, 15:51

Die Krankheit kommt durchaus häufiger vor, als in der Gesellschaft bekannt ist. Mit zwei Prozent muss gerechnet werden.

Das Grundproblem für die FEB bei Borderline ist doch, sie kann es nicht wissen, in welchen Bereichen und Ausdrücken dass selbstschädigende Verhalten einsetzt oder eines Tages einsetzen wird (wegen Verbrauchs des Kicks bei anderen Handlungen). Sprich ob auch im Straßenverkehr.

Natürlich heizen nicht alle Borderliner im Straßenverkehr, genauso wie nicht alle sich schneiden oder bsp. sich in Alkoholexzessen ergeben.

Wie stabil der Bereich Straßenverkehr ist und bleiben wird, dafür ist ja gerade eine MPU resp. ein fachärtliches Gutachten da. An eigener medizinischer und psychologischer Fachkompetenz fehlt es den FEB-Mitarbeitern in aller Regel. Ich hoffe, damit das Dilemma einer FEB aufgezeigt zu haben. Angewandt werden könnte analog http://www.fahrerlaubnisrecht.de/Beguta ... 203.10.htm; Begründung aus http://www.jurathek.de/showdocument.php ... 407#Inhalt insbesondere 2.4 .

Privat halte ich es wie mit Kilometerfresser. Ich kenne hinreichend viele Borderliner, ihr unterschiedliches Verhalten. Bei dem einen steige ich mit gutem Gefühl mit ins Auto, bei anderen schlotterten mir schon die Beine, wenn ich nur an den Türgriff fassen würde.


Deine Argumentationsmöglichkeiten habe ich Dir oben gezeigt; auch meine ich, Du wirst eine fachärztliches Gutachten bestehen. Dessen Kosten dürften einige Hundert Euro betragen. Der Nachteil, Geldausgabe ist klar. Der Vorteil wäre, der Vorhalt Borderline wäre amtlich vom Tisch.


Persönlich: In verschiedenen therapeutischen Einrichtungen sind mir viele gleich mir Betroffene mit Borderline begegnet. Weiß Gott nicht jeder rast. Deren Anteil ist deutlich geringer als bsp. der mit Drogen, Ritzen.

Liebe Greet-Ings, Cornelius

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Puella
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Beitrag von Puella » Mo 15. Dez 2008, 11:23

Hi Poldi, mir ist letztes Jahr auch der FE entzogen worden wegen Fahrens nach Medikamentenüberdosierung. Habe bei der Polizei auch meine Erkrankung angegeben (Persönlichkeitsstörung mit Borderlineanteilen u.a. sowie Depression). Ich musste nicht zur MPU, musste aber ein ÄG vorlegen. Dieses fiel glücklicherweise positiv aus, da ich mich stationär behandeln ließ und meine Impulse weitestgehend im Griff habe. Falls Du noch mehr wissen willst kannst mich gern fragen!

Gruß,
Puella

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Beitrag von remington steele » Sa 11. Apr 2009, 20:00

hi,

ich hab nur nen neuen Nick, weil meine alte E-Mail adresse gelöscht ist und ich mein Passwort vergessen habe.

Es hat sich endlich mal was getan in Sachen Wiedererteilung.

Ich habe ein Gutachten machen lassen, wegen meiner Borderlineerkrankung. Die Ärztin ist zu dem Schluss gekommen, dass sie keine Bedenken sieht, mich am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen.
Also ein überaus gutes Ergebnis.

Nun hat die Fsst mir ein Schreiben geschickt, in dem folgender Wortlaut steht: "Nach Vorlage des positiven verkehrsmedizinischen Facharztgutachten der Frau Dr. XXX vom 19.03.2009 können Sie zur Ablegung der theoretischen und praktischen Prüfung über eine Fahrschule zugelassen werden. Hierbei wird jedoch auf eine Ausbildungsbescheinigung verzichtet."

Zuvor wurde ich in dem gleichen Schreiben zu einem Erörterungstermin eingeladen. Dieser dient wohl dazu, Stellung zu den Tatsachen zu nehmen, die die Fsst dazu veranlasst, an meiner Eignung zum Führen eines Kfz oder an den erforderlichen Kenntnissen zu zweifeln.

Aber gem. § 20 FeV müssen ja nunmal Tatsachen vorliegen, die zur Annahme verleiten... bla bla bla... Nur was bitteschön, können die als Gründe dafür vorgeben? Allein die 6 Jahre Fahrunterbrechung können es ja nunmal nicht sein. Borderline kann es auch nicht. Denn eine psychische Erkrankung ist ja kein Grund, dass ich die erforderlichen Kenntnisse nicht mehr habe. Es handelt sich um Fachwissen über den Straßenverkehr etc pp. Und eine solche psychische Erkrankung führt nicht zu Gedächtnisverlust. Schließlich kann ich auch noch meinen alten erlernten Beruf ausüben. Und körperlich bin ich auch topfit laut Ärztin.

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Beitrag von corneliusrufus » So 12. Apr 2009, 09:12

Nehme doch den Erörterungstermin wahr. Formuliere da Deine Bedenken. Es mag sein, auch die Behörde kommt dann zum Ergebnis, es geht ohne weitere theoretische und praktische FS-Prüfung. Wenn nicht lasse Dir da die Gründe, schriftlich geben.

Liebe Greet-Ings und frohe Ostern Cornelius

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