Anlaufzeit - Verjährung - Überliegefrist

Hier geht es um Themen, die das Verwaltungsrecht mit dem Fahrerlaubnisrecht kombinieren
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corneliusrufus
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Beitrag von corneliusrufus » Di 1. Sep 2009, 06:29

Wie Du, @Holger Füglein, legen es die meisten FEB aus. Egal ob entzogen oder verzichtet wird, beginnt immer erst die (bis zu) fünfjährige Anlaufzeit.

Deshalb wurde in Bayern gerichtlich argumentiert (und beurteilt), beim Verzicht analog § 4 (2) Satz 3 StVG anzuwenden.


Es stellt sich allerdings die Frage, @Holger Füglein, wie Du die von mir fett hervorgehobene Passage des § 29 (5) Satz 1 StVG erklärst:
(5) Bei der Versagung oder Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung, der Anordnung einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs oder bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis beginnt die Tilgungsfrist erst mit der Erteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spätestens jedoch fünf Jahre nach der beschwerenden Entscheidung oder dem Tag des Zugangs der Verzichtserklärung bei der zuständigen Behörde.
Die Frage ist, ebenfalls an andere, die @Fügleins Ansicht folgen, welche Fälle unter obige Passage fallen im Gegensatz zum Fall (erst) fünf Jahre anch der beschwerenden Entscheidung.

Meines Ermessens liefe nämlich ansonsten die von mir hervorgehobene Passage leer. Unser Normgeber muss sich dazu Gedanken gemacht haben, mit der gleichwertigen Verknüpfung beider Fälle durch ein oder.

Liebe Greet-Ings Cornelius

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Holger Füglein
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Beitrag von Holger Füglein » Di 1. Sep 2009, 06:57

Die Vorschrift ist so zu lesen:

"(Fall 1) Bei der Versagung oder Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung, der Anordnung einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs oder
(Fall 2) bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis

beginnt die Tilgungsfrist erst mit der Erteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis,

spätestens jedoch fünf Jahre nach

(bei Fall 1) der beschwerenden Entscheidung oder
(bei Fall 2) dem Tag des Zugangs der Verzichtserklärung bei der zuständigen Behörde."

@ corneliusrufus, damit deine Auslegung richtig wäre müßtes du folgende Hervorhebung vornehmen können:

"Bei der Versagung oder Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung, der Anordnung einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs oder bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis beginnt die Tilgungsfrist erst mit der Erteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spätestens jedoch fünf Jahre nach der beschwerenden Entscheidung oder dem Tag des Zugangs der Verzichtserklärung bei der zuständigen Behörde."

Deine vorherige Markierung war sprachlich nicht korrekt und die letzte Variante es auch vom Satzbau nicht.

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M.Thöle
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Beitrag von M.Thöle » Di 1. Sep 2009, 10:47

Wenn ich mir das Ding wieder und wieder durchlese, muss ich leider Holger Recht geben. Da hab ich mich verhaun. Sorry.
Alle Angaben ohne Gewehr! Waffen sind in der Führerscheinstelle nicht erlaubt!

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corneliusrufus
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Beitrag von corneliusrufus » Di 1. Sep 2009, 18:31

Danke @Holger Füglein, bin sprachlich kein Germanist. Das oder sind dann inhaltlich entweder-oder-Konstruktionen, Deine Erläuterung mit den beiden Unterfällen (1 und 2) leuchtet mir ein. Mir fehlt jedenfalls die Kompetenz von der Sprache her zu unterschieden, ob Deine die richtige ist.

Dafür spricht und macht zugleich die Aussage, der § 4 StVG wäre beim Verzicht analog anzuwenden, weil sonst diejenigen, die (freiwillig) auf die FE verzichten schlechter gestellt werden als diejenigen, die sich die FE entziehen lassen.

Auch spricht für Deine Lesart, dass bisher fast alle FEB die Vorschrift so wie Du gelesen und angewandt haben.


Damit revidiere ich zu:

Vor-/Nachteile
bei Wahlhandlung<> Vorteile<> Nachteile<>
Fahrerlaubnisentzug<> Grundsätzlich sofortige Tilgung der Punkte gemäß § 4 StVG.<> Anlaufverzögerung der Tilgungsfrist von bis zu 5 Jahren siehe § 29 (5) StVG.<>
Fahrerlaubnisverzicht<> Tilgung der Punkte nur über § 4 StVG analog möglich.<> Anlaufverzögerung der Tilgungsfrist von bis zu 5 Jahren siehe § 29 (5) StVG.<>


Nun weiß ich, dass der § 4 StVG im Fall eines FE-Verzichts gerade nicht bundeseinheitlich analog wie bei den Fällen der FE-Entzuges angewendet wird.

Das führt m.A.n. zu einem ungerechtem Ergebnis, denn für wenige Geld mehr kann sich jemand über die Kosten des FE-Entzuges von den Punkten "freikaufen", während derjenige, der (schon) aus Vernunftsgründen (und beginnender Einsicht) auf die FE verzichtet, nur wenig Geld spart und oftmals auf den Punkten sitzen bleibt.


Ich spitze das einmal zu. Jemand - wie ein Kunde von mir - hat 18 Punkte in Flensburg erreicht. Der letzte Bußgeldbescheid ist rechtskräftig geworden. Wenn er nun noch vor einer Reaktion der FEB auf die FE verzichtete, - weil diese ja sowie so entziehen wäre -, dann bliebe er ohne analoge Anwendung des § 4 StVG bei 18 Punkten kleben. Nun wartet er 6 Monate, beantragt die FE erneut, besteht eine MPU. Bis dahin ist bsp. noch keine Tilgungsverjährung der Punkte eingetreten. Die FEB müsste dann dem Antrag auf FE entsprechen und sofort anschließend wegen der 18 Punkte entziehen.

Wie wäre denn dieser Fall zu handhaben? Geltet er dann nicht mehr als fahrungeeignet (dank bestandener MPU) trotz der 18 Punkte?

Nächste Frage, welche Bundesländer wenden denn systematisch den § 4 StVG bei FE-Verzicht analog an? Ist hier ein "Rundruf" möglich? Danke!



So, nun kehre ich die Begründung etwas um. Wenn der Gesetzgeber um die Ungerechtigkeit zwischen FE-Entzug und -Verzicht wusste, wenn die falsche Lesart des § 29 (5) StVG gewählt wird, er im Grunde keine Analoge Anwendung wünscht, (weil er diese sonst in die Norm vorhersehend einbezogen hätte,) komme ich wieder zu "meinem" Ergebnis. Dann ist der § 39 (5) StVG meinetwegen sprachlich verunglückt, gemeint sein kann jedoch nicht die Fallunterscheidung, selbst wenn diese sprachlich so formuliert sein sollte, sondern sie wäre sprachlich so "richtig zu stellen", um dem (in "meiner" Interpretation) wahren Willen des Normgeber zu folgen. D.h. Bei FE-Verzicht beginnt sofort mit dem Verzicht die zehnjährige Tilgungsfrist.

So einfach kann daher das Problem nicht sein, weil unsere beiden Erklärungen, @Holger Füglein, zu äh Ungereimtheiten im StVG führen.


Was sagt denn der Kommentar dazu? Hat den jemand griffbereit? Was sagen die Erläuterungen zum Gesetz?

Liebe Greet-Ings Cornelius

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hope09
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Bitte nochmals für absolute Laien

Beitrag von hope09 » Di 13. Jul 2010, 12:14

Bitte erklärt mir dieses nochmals so, dass auch ich es verstehe. Wenn jemand nach Ablauf der Sperrfrist zur FE-Stelle geht, und einen Neuantrag stellt, der Beamte ihn dann letztendlich nach einiger Zeit verweigert - dann beginnt die Frist nicht erneut zu laufen? Also er hat nur den Antrag gestellt, hat aber nicht freiwillig auf die FE verzichtet (sondern er mußte verzichten), dann beginnt die Frist nicht mehr zu laufen? Entschuldigt bitte, aber die deutsche Sprache ist manchmal so zweideutig und ich bräuchte Klarheit. Vielen Dank!

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förmliche Versagung?

Beitrag von hope09 » Di 13. Jul 2010, 12:16

Zur Klarstellung: Der Antrag der Neuerteilung und ggf. dessen Rücknahme wird beim Kraftfahrtbundesamt nicht gespeichert. Nur Entscheidungen über Anträge (Erteilung oder förmliche Versagung) werden dort gespeichert.

Was heißt hier eigentlich "förmliche Versagung"???

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charly68
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Beitrag von charly68 » Di 13. Jul 2010, 12:34

Durch eine Versagung, Entzug oder Verzicht beginnt immer zuerst eine 5jährige Anlaufhemmung und anschließend die 10jährige Tilgung.

Stellst Du heute einen Antrag und der wird Dir in 2 Monaten versagt, dann beginnen ab dieser Versagung wieder die 15 Jahre von neuem.

Stellst Du heute einen Antrag und Dir wird dann in 2 Monaten eine MPU-Aufforderung zugestellt, dann kannst Du hergehen und keine positive MPU vorlegen. Dann wird wieder versagt.

Legst Du ne postive MPU vor bekommst Du den FS.

Ziehst Du aufgrund der MPU-Aufforderung den Antrag zurück bleibt alles so als wäre nie ein Antrag gestellt worden.

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M.Thöle
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Beitrag von M.Thöle » Di 13. Jul 2010, 12:53

hope09 hat geschrieben:Zur Klarstellung: Der Antrag der Neuerteilung und ggf. dessen Rücknahme wird beim Kraftfahrtbundesamt nicht gespeichert. Nur Entscheidungen über Anträge (Erteilung oder förmliche Versagung) werden dort gespeichert.

Was heißt hier eigentlich "förmliche Versagung"???
Richtig. Beim KBA werden nur (rechtskräftige) Entscheidungen gespeichert. Wird ein Antrag bei der FEB gestellt und später aus irgendwelchen Gründen zurückgezogen, erfolgt kein Eintrag. Eine unanfechtbare Versagung oder die Erteilung einer Fahrerlaubnis wird natürlich dort eingetragen.

Mit förmlich kann m.E. nur gemeint sein, dass die Versagung Schriftform hat und mit Rechstbehelfsbelehrung versehen war. Unter Formlos wäre dann im Gegenteil ein lapidarer Brief oder gar eine mündliche Äußerung zu verstehen.
Alle Angaben ohne Gewehr! Waffen sind in der Führerscheinstelle nicht erlaubt!

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