RICHTLINIE 2006/126/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
vom 20. Dezember 2006
über den Führerschein (Neufassung)
(Text von Bedeutung für den EWR)
DAS
EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 71, auf Vorschlag der Kommission,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
(1),
nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,
gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags (2)
in
Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Die Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli
1991 über den Führerschein (3) wurde mehrfach erheblich
geändert. Anlässlich neuerlicher Änderungen empfiehlt
sich aus Gründen der Klarheit eine Neufassung.
(2) Die Regelungen zum Führerschein sind wesentliche
Bestandteile der gemeinsamen Verkehrspolitik, tragen zur Erhöhung
der Verkehrssicherheit bei und erleichtern die Freizügigkeit der
Personen, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, der
den Führerschein ausgestellt hat, niederlassen. Angesichts der
Bedeutung der individuellen Verkehrsmittel fördert der Besitz eines
vom Aufnahmemitgliedstaat anerkannten Führerscheins die Freizügigkeit
und die Niederlassungsfreiheit der Personen. Trotz der bei der Harmonisierung
der Vorschriften für den Führerschein erzielten Fortschritte
bestehen bei den Vorschriften über die Häufigkeit der Erneuerung
von Führerscheinen und über die Fahrzeugunterklassen weiterhin
erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, die zur Unterstützung
der Durchführung der Gemeinschaftspolitik eine stärkere Harmonisierung
erforderlich machen.
(3)
Die in der Richtlinie 91/439/EWG vorgesehene Möglichkeit, nationale
Bestimmungen über die Gültigkeitsdauer zu erlassen, führt
dazu, dass unterschiedliche Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten
nebeneinander bestehen und in den Mitgliedstaaten mehr als 110 verschiedene
Führerscheinmuster gültig sind. Dies führt zu Transparenzproblemen
für Bürger, Ordnungskräfte und Führerscheinbehörden
und zur Fälschung von Dokumenten, die zuweilen Jahrzehnte alt sind.
(4)
Um zu vermeiden, dass das einheitliche europäische Führerscheinmuster
noch zu den bereits in Umlauf befindlichen 110 Mustern hinzukommt, sollten
die Mitgliedstaaten alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit
alle Führerscheininhaber dieses einheitliche Muster erhalten.
(5)
Vor dem Beginn der Anwendung dieser Richtlinie erteilte oder erworbene
Fahrerlaubnisse sollten unberührt bleiben.
(6)
Führerscheine werden gegenseitig anerkannt. Die Mitgliedstaaten
sollten in der Lage sein, die Bestimmungen dieser Richtlinie über
die Gültigkeitsdauer auf einen Führerschein ohne begrenzte
Gültigkeitsdauer anzuwenden, der in einem anderen Mitgliedstaat
ausgestellt wurde und dessen Inhaber seit mehr als zwei Jahren in ihrem
Hoheitsgebiet ansässig ist.
(7)
Die Einführung einer Gültigkeitsdauer für neue Führerscheine
sollte es ermöglichen, anlässlich der regelmäßigen
Erneuerung die neuesten Maßnahmen zum Schutz gegen Fälschungen
anzuwenden und ärztliche Untersuchungen oder andere von den Mitgliedstaaten
vorgeschriebene Maßnahmen durchzuführen.
(8)
Aus Gründen der Straßenverkehrssicherheit sollten die Mindestvoraussetzungen
für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgelegt werden. Die Normen
für die von den Fahrern abzulegenden Prüfungen und für
die Erteilung der Fahrerlaubnis müssen harmonisiert werden. Zu
diesem Zweck sollten die Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen
im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs festgelegt
werden, die Fahrprüfung sollte auf diesen Konzepten beruhen, und
die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit
zum Führen dieser Fahrzeuge sollten neu festgelegt werden.
(9)
Der Nachweis der Einhaltung der Mindestanforderungen an die körperliche
und geistige Tauglichkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs durch
Fahrer von Fahrzeugen zur Personen- oder Güterbeförderung
sollte zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins und danach
in regelmäßigen Abständen erbracht werden. Diese regelmäßige
Überprüfung der Einhaltung der Mindestanforderungen gemäß
den nationalen Vorschriften wird zur Verwirklichung der Freizügigkeit,
zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und zur besseren Berücksichtigung
der besonderen Verantwortung der Fahrer dieser Fahrzeuge beitragen.
Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, ärztliche
Untersuchungen vorzuschreiben, um die Einhaltung der Mindestanforderungen
an die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen anderer
Kraftfahrzeuge zu gewährleisten. Aus Gründen der Transparenz
sollten diese Untersuchungen mit der Erneuerung des Führerscheins
zusammenfallen und sich deshalb nach der Gültigkeitsdauer des Führerscheins
richten.
(10) Der Grundsatz des stufenweisen Zugangs zu den
Klassen zweirädriger Fahrzeuge sowie zu den Klassen der Fahrzeuge
zur Fahrgast- und Güterbeförderung sollte stärker zum
Tragen kommen.
(11)
Allerdings sollte es den Mitgliedstaaten gestattet werden, eine höhere
Altersgrenze für das Führen bestimmter Fahrzeugklassen vorzusehen,
um die Straßenverkehrs-sicherheit weiter zu verbessern; unter
außergewöhnlichen Umständen sollte es den Mitgliedstaaten
gestattet sein, niedrigere Altersgrenzen vorzusehen, um innerstaatlichen
Gegebenheiten Rechnung zu tragen.
(12)
Die Begriffsbestimmungen der Klassen sollten die technischen Merkmale
der betreffenden Fahrzeuge sowie die zum Führen eines Fahrzeugs
erforderlichen Fähigkeiten besser widerspiegeln.
(13)
Die Einführung einer Führerscheinklasse für Kleinkrafträder
hat vor allem eine Erhöhung der Verkehrssicherheit für die
jüngsten Fahrer zum Ziel, die den Statistiken zufolge am stärksten
von Verkehrsunfällen betroffen sind.
(14)
Es sollten besondere Bestimmungen erlassen werden, um Körperbehinderten
den Zugang zum Führen von Kraftfahrzeugen zu erleichtern.
(15) Die Mitgliedstaaten sollten aus Gründen der
Verkehrssicherheit die Möglichkeit haben, ihre innerstaatlichen
Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung, die Erneuerung und
die Aufhebung einer Fahrerlaubnis auf jeden Führerscheininhaber
anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet
begründet hat.
(16) Das Führerscheinmuster gemäß der
Richtlinie 91/439/EWG sollte durch ein einheitliches Muster in Form
einer Plastikkarte ersetzt werden. Gleichzeitig muss dieses neue Führerscheinmuster
aufgrund der Einführung einer neuen Führerscheinklasse für
Kleinkrafträder und einer neuen Führerscheinklasse für
Krafträder angepasst werden.
(17) Die fakultative Aufnahme eines Mikrochips in das
neue Plastikkarten-Führerscheinmuster sollte den Mitgliedstaaten
die Möglichkeit geben, den Schutz vor Betrug weiter zu erhöhen.
Die Mitgliedstaaten sollten auf dem Mikrochip nationale Daten speichern
dürfen, sofern dies nicht zu einer Beeinträchtigung der allgemein
zugänglichen Daten führt. Die technischen Vorschriften für
den Mikrochip sollten von der Kommission mit Unterstützung des
Ausschusses für Führerscheine festgelegt werden.
(18) Es sollten Mindestanforderungen für den Zugang
zum Beruf des Fahrprüfers und Anforderungen an die Ausbildung von
Fahrprüfern festlegt werden, damit die Fahrprüfer über
bessere Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen und damit zugleich
sichergestellt wird, dass Führerscheinbewerber objektiver beurteilt
und die Fahrprüfungen einheitlicher gestaltet werden.
(19) Die Kommission sollte ermächtigt werden,
die Anhänge I bis VI an den wissenschaftlichen und technischen
Fortschritt anzupassen.
(20) Die zur Durchführung dieser Richtlinie erforderlichen
Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des
Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für
die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse
(4) erlassen werden.
(21) Insbesondere sollte die Kommission die Befugnis
erhalten, die notwendigen Kriterien für die Anwendung dieser Richtlinie
festzulegen. Da es sich um Maßnahmen allgemeiner Tragweite handelt,
die eine Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen dieser Richtlinie
bewirken, sollten diese Maßnahmen gemäß dem in Artikel
5a des Beschlusses 1999/468/EG genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle
erlassen werden.
(22) Da die Ziele der beabsichtigen Maßnahme
auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden
können und daher wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen besser
auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen sind, kann die Gemeinschaft
im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip
tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht
über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
(23)
Diese Richtlinie sollte die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang
mit den Fristen für die Umsetzung der in Anhang VII Teil B genannten
Richtlinien in nationales Recht und für deren Anwendung unberührt
lassen
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Inhaltsverzeichnis
(1)ABl.C
112 vom 30.4.2004, S. 34.
(2) Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 23.
Februar 2005 (ABl.
C 304 E vom 1.12.2005, S. 202), Gemeinsamer Standpunkt des Rates
vom 18. September 2006 (ABl.
C 295 E vom 5.12.2006, S. 1), Standpunkt des Europäischen Parlaments
vom 14. Dezember 2006 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht)
und Beschluss des Rates vom 19. Dezember 2006.
(3) ABl.
L 237 vom 24.8.1991, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung
(EG)
Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl.
L 284 vom 31.10.2003, S. 1).
(4) ABl.
L 184 vom 17.7.1999, S. 23. Geändert durch den Beschluss 2006/512/EG
(ABl.
L 200 vom 22.7.2006, S. 11).